Europa: Wo droht der nächste Immobiliencrash?

Europa: Wo droht der nächste Immobiliencrash?

Kaum sind die Immobilienblasen in Irland und Spanien geplatzt, bilden sich in Europa schon wieder neue. Wir zeigen, wo ausgewählte europäische Länder zurzeit im
Immobilienzyklus stehen. Als Schablone dient dabei der US-Immobilienmarkt, der in den letzten 15 Jahren vom Boom über das Platzen der Blase und der anschließenden
Preiskorrektur bis hin zur Erholung alle Phasen des Zyklus erlebt hat. Während in Slowenien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden die Immobilienpreise noch weiter
fallen dürften, droht in Finnland und Schweden bereits die nächste Blase zu platzen.

Die fünf Phasen des Immobilienzyklus

Um die europäischen Immobilenmärkte zu bewerten, vergleichen wir sie mit den USA, die in den letzten Jahren einen Boom und einen anschließenden Kollaps erlebt haben. Danach lässt sich
der Zyklus idealtypisch in fünf Phasen aufteilen:

Phase 1 – Boom: Immobilienpreise und Wohnungsbauinvestitionen ziehen kräftig an, die
Verschuldung der privaten Haushalte und das Verhältnis zwischen Immobilienpreisen und
Mieten entfernen sich von den fundamental gerechtfertigten Niveaus.

Phase 2 – Boom läuft aus: Der Anstieg der Preise und Investitionen schwächt sich ab.
Verschuldung und Preis-Mietverhältnis bewegen sich seitwärts auf hohen Niveaus.

Phase 3 – Einbruch: Preise und Investitionen brechen ein, Verschuldung und Preis-
Mietverhältnis sinken spürbar.

Phase 4 – Stabilisierung: Die Vorjahresrate von Preisen und Investitionen ist noch negativ,
nähert sich aber der Nulllinie. Verschuldung und das Verhältnis von Preisen und Mieten sind
wieder nahezu „normal“.

Phase 5 – Erholung: Die Häuserpreise steigen wieder, die Investitionen nehmen zu.

Deutschland und Norwegen im Immobilienboom (Phase 1)

In Deutschland und Norwegen boomen derzeit die Immobilienmärkte; seit 2010 steigen die
Häuserpreise in beiden Länder stetig. Dabei ist der Boom in Norwegen schon recht weit
fortgeschritten. In den vergangenen Jahren sind die norwegischen Immobilienpreise
durchschnittlich um mehr als 8% pro Jahr gestiegen. Der Hauspreisboom wird in dem
skandinavischen Land vor allem durch die starke Zuwanderung der letzten Jahre befeuert. Die
dadurch notwendig gewordenen Wohnungsbauten ließen die Bauinvestitionen seit Anfang 2011
deutlich steigen (mehr als 6% pro Jahr). Der Boom der norwegischen Immobilienmärkte spiegelt
sich auch im Verhältnis von Häuserpreisen und Mieten wider, das seit einiger Zeit deutlich über
seinem üblichen Niveau liegt, und auch die private Verschuldung ist deutlich gestiegen.
Deswegen gehen wir davon aus, dass die Norges Bank entgegen den zeitweiligen
Spekulationen die Zinsen nicht senkt, um den Boom nicht anzufeuern. Mit Blick auf den
Immobilienmarkt müsste sie die Zinsen eigentlich spürbar anheben. Weil dann aber die
norwegische Krone stark aufwerten und die Wirtschaft belasten würde, erwarten wir erst
längerfristig graduelle Zinserhöhungen.
In Deutschland befindet sich der Immobilienmarkt zwar noch am Anfang des Booms, aber auch
dort haben die Häuserpreise zuletzt um rund 3% pro Jahr zugelegt. Bereits seit Anfang 2010
investieren die Privaten wieder in den Wohnungsbau – die Investitionen sind im Mittel pro Jahr
um rund 4% gestiegen. Dieser positive Trend dürfte sich in den kommenden Quartalen
fortsetzen und die Konjunktur stützen. Dass der deutsche Immobilienboom am Anfang steht,
zeigt das Verhältnis von Hauspreisen zu Mieten, das noch unter seinem langfristigen
Durchschnitt liegt.

Finnland, Schweden – der Boom läuft aus (Phase 2)

In Finnland und Schweden dürfte der Immobilienboom auslaufen, die Korrektur der
Immobilienpreise dürfte kurz bevorstehen. Nachdem die Häuserpreise in beiden Ländern seit
über zehn Jahren stark gestiegen waren, hat sich dieser Anstieg seit Anfang 2010 spürbar
verlangsamt. Darüber hinaus fallen seit dem Jahreswechsel 2011/2012 die
Wohnungsbauinvestitionen. Das Verhältnis von Häuserpreisen zu Mieten und die private
Verschuldung in den beiden Ländern haben sich zuletzt seitwärts bewegt und sind damit

immer noch zu hoch. Schon jetzt belasten die rückläufigen Bauinvestitionen jeweils die Konjunktur. Das
dürfte weiter zunehmen, wenn auch die Häuserpreise fallen.

In Westeuropa und Slowenien brechen die Preise ein (Phase 3)

In Slowenien und den drei westeuropäischen Ländern Frankreich, Niederlande und Spanien
brechen die Immobilienpreise ein. In Spanien und den Niederlanden (Grafik 1) gehen die
Häuserpreise mit einer Vorjahresrate von 12,8% bzw. 6,1% rasant zurück, selbst wenn sich der
Rückgang zuletzt etwas verlangsamt hat. Zudem schrumpfen die Bauinvestitionen in beiden
Ländern weiterhin spürbar: In Spanien, wo sie bereits seit 2008 fallen, belief sich der
Vorjahresvergleich zuletzt auf -8,7%, in den Niederlanden lagen sie zuletzt 12,3% unter dem
entsprechenden Vorjahresquartal. In Slowenien und Frankreich (Grafik 2) hat sich der Rückgang
der Preise im Verlauf des vergangenen Jahres verstärkt. Auch in Slowenien fallen die
Investitionen bereits seit 2008 (2012Q4: -13,6% gegenüber Vorjahr). In Frankreich lagen die
Bauinvestitionen im vierten Quartal 2012 0,6% unter dem Niveau des Vorjahres.
Auf weiteres Korrekturpotenzial deuten auch die private Verschuldung und das Verhältnis von
Häuserpreisen zu Mieten hin. In allen vier Ländern hat die Verschuldung der privaten Haushalte
in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt, in Spanien und den Niederlanden haben sich die
Schulden seit Ende der 1990er in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sogar verdoppelt. Und
selbst wenn diese Quote in Spanien und Slowenien zuletzt etwas gesunken ist, liegt sie dort
immer noch weit über ihrem langfristigen Trend. Die Häuserpreise haben sich zwar relativ zu
den Mieten verbilligt, liegen daran gemessen aber mindestens noch etwa 20% über dem
fundamental gerechtfertigten Niveau. Die noch lange nicht abgeschlossene Korrektur der
Übertreibungen am Immobilienmarkt wird die Konjunktur in den vier Ländern weiterhin belasten.

Immobilienmarkt in Irland stabilisiert sich (Phase 4)

Hingegen dürfte Irland die Korrekturphase hinter sich haben, der Immobilienmarkt stabilisiert
sich. Seit einem Jahr verlangsamt sich der Rückgang der Häuserpreise: Während sie im vierten
Quartal 2011 im Vorjahresvergleich noch um annähernd 17% gefallen waren, betrug das Minus
Ende 2012 nur noch 4½%. Zudem befindet sich das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Mieten
inzwischen sogar leicht unter dem Niveau Anfang der 2000er Jahre, also vor dem Boom. Die
private Schuldenquote hat sich in den vergangenen Jahren zurückgebildet, ist aber noch immer
mehr als doppelt so hoch wie zu Beginn der 2000er Jahre. Auch die Fertigstellungen von
Häusern, die in Irland gut die Bauinvestitionen widerspiegeln, fallen seit etlichen Quartalen
weniger stark.
Insgesamt dürfte Irland bald das Schlimmste hinter sich haben, der Wohnungsbau sollte die
Konjunktur in Kürze wieder unterstützen, selbst wenn die immer noch hohe Verschuldung der
privaten Haushalte mittelfristig ein Risiko darstellt.

Dänemark, Großbritannien – Häuserpreise erholen sich (Phase 5)

Die Immobilienmärkte in Dänemark und Großbritannien befinden sich wohl in einer Erholung. In
Dänemark sind die Häuserpreise Ende 2012 erstmals wieder leicht gestiegen (0,8% gegenüber
Vorjahr), in Großbritannien haben sie bereits Anfang 2012 leicht angezogen (im Mittel um
annähernd 2%). Zudem haben die britischen Wohnungsbauinvestitionen zuletzt wieder zugelegt,
wohingegen sie in Dänemark weiterhin rückläufig sind. Das dürfte aber eher der schwachen
Konjunktur zuzurechnen sein, die derzeit stark unter der Wirtschaftskrise im Euroraum leidet.
Sobald diese abebbt, dürften in Dänemark die Konjunktur und damit die Bauinvestitionen wieder
anziehen. Gerade die Belebung des britischen Immobilienmarkts stützt unsere Ansicht, dass das
britische Pfund gegenüber dem Euro mittelfristig leicht aufwerten dürfte.

Kasten: Aufstieg und Fall des US-Immobilienmarktes

Phase 1 – Boom: Ab 1997 stiegen die US-Häuserpreise kontinuierlich und mit zunehmendem
Tempo (Grafik 3). Dazu trug vor allem die seit der Rezession 2001 sehr expansive Geldpolitik
bei. Selbst als die Fed ab 2004 ihre Politik straffte, blieben die monetären Bedingungen
zunächst noch expansiv. Denn zum einen hob die Fed die Zinsen nur zögerlich an, zum anderen
drückte der starke Zufluss ausländischer Gelder die langfristigen Zinsen. Gleichzeitig öffneten
relativ laxe Kreditstandards bonitätsschwachen Käufern die Tür zum Eigenheim. Die
Vorjahresrate der Wohnungsbauinvestitionen legte ebenfalls zu, nur unterbrochen von der
Rezession 2001. Die Verschuldung der privaten Haushalte entfernte sich ebenso vom Trend
nach oben wie das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Mieten (Grafik 4).

Phase 2 – Preisboom läuft aus: Die Zinserhöhungen der Fed bremsten mit einer gewissen
Verzögerung die Wirtschaft und den Anstieg der Häuserpreise. Ab Anfang 2006 sank die
Vorjahresrate deutlich. Die Investitionen verloren noch stärker an Schwung. Verschuldung und
Preis-Mietverhältnis bewegten sich auf sehr hohem Niveau seitwärts.

Phase 3 – Einbruch der Preise: Während die Immobiliennachfrage bereits nachließ, kamen
etliche noch im Boom begonnene Bauten auf den Markt, was den Preisverfall beschleunigte. Ab
Anfang 2007 sanken die Preise auch im Vorjahresvergleich. In der scharfen Rezession konnten
viele Hypothekenschuldner ihre Kredite nicht mehr bedienen. Die anschließende Welle an
Zwangsversteigerungen drückte ebenfalls auf die Preise.

Phase 4 – Stabilisierung: Durch den Preiseinbruch und niedrigere Zinsen wurden Immobilien
erschwinglicher. Ab dem Frühjahr 2009 stabilisierten sich die Preise und die Investitionen, da zu
diesem Zeitpunkt die Überbewertung relativ zu den Mieten abgebaut war.

Phase 5 – Erholung: Nachdem der Überhang an leerstehenden Immobilien deutlich reduziert
wurde, steigen die Preise seit etwa einem Jahr wieder. Der Wohnungsbau expandiert mit
zweistelligen Raten und trägt damit spürbar zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei.

Quelle: Commerzbank Economic Research vom 17.05.2013